Der vierte Teil dieser Serie soll noch einmal erläutern, wieso die in Teil 3 aufgezählten Maßnahmen eine angemessene und verhältnismäßige Antwort auf die in Teil1 geschilderten Herausforderungen sind, die sich durch die moderne Terraristik ergeben. Dabei verweisen die Ziffern im Text auf die im Teil 3 unter dieser Ziffer genannten Maßnahmen und Feststellungen.
Dieser Text ist Teil einer vierteiligen Serie. Zur Erläuterung siehe hier.

Wie im Teil 1 näher erläutert wurde, stellen sich in der Terraristik Probleme des unzureichend gelösten Tierschutzes durch mangelnde Berücksichtigung der Haltungsbedingungen (einschließlich Ernährung usw.), hier besonders dann, wenn Tierarten als „Spontankäufe" in den Besitz des Halters gelangen. Eine Beeinträchtigung des Tierwohls resultiert zudem aus der unzureichenden Nutzung von herpetologisch versierten Tierärzten bei Krankheitszeichen der Tiere.
Die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen stellen hier wichtige Weichen in Richtung auf die Erhaltung des Tierwohls: Erstens wird dort unter Punkt 2 mit dem verpflichtenden Erwerb der Sachkunde vor der zu beantragenden Haltung eines Terrarientieres auf grundsätzliche Schwierigkeiten der Privathaltung von Amphibien und Reptilien hingewiesen ebenso wie auf die heutzutage vorhandene tierärztliche Expertise im Krankheitsfall. Zweitens verhindert die Voranmeldung der Haltung in der bundesweiten Datenbank (Punkt 6, 7) Spontankäufe, deren Schädlichkeit (für das Tier) unstrittig ist. Drittens wird mit der (algorithmisch automatisierten) Auswertung der sich entwickelnden Datenbank (Punkt 3, 6 und 7) eine Identifizierung von (fraglich) problematischen Haltern ebenso möglich wie wie die Identifikation kritischer Tierarten, wodurch gezielte und mutmaßlich effiziente Maßnahmen im Sinne von Tierschutz und Tierwohl erleichtert werden. Dass die Umsetzung und das Betreiben einer solchen Datenbank kein „bürokratisches Monster" gebären muss und – nach der Installation – sogar nahezu ohne personellen Aufwand betrieben werden kann, habe ich andernorts bereits erläutert.
Im Teil 1 wurde auch erläutert, dass sich aus der Terraristik Probleme für einzelne Tierarten ergeben, deren Bestand durch übermäßige Wildtierentnahmen gefährdet wird. Dies gilt insbesondere mit Blick auf seltene und erst Recht mit Blick auf gerade erst neu entdeckte Arten.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind auch eine wichtige Weichenstellung in Richtung auf die Begrenzung von Risiken für die Tierarten. Denn mit der systematischen Verteuerung von Wildtieren (Punkt 5), gegebenenfalls auch die Aufnahme einzelner Arten in eine „bedingte Negativliste" (Punkt 8) und schließlich eine Bindung der Haltung von neu entdeckten Tierarten in Privathand an eine behördliche Ausnahmegenehmigung (Punkt 9.1) werden starke Anreize geschaffen für die Haltung von Tierarten, die erfolgreich in Gefangenschaft nachgezüchtet werden können. Umgekehrt enthält die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für besonders qualifizierte Halter und hier insbesondere für in Netzwerken zusammengeschlossene Halter die Aussicht, dass für Tierarten, für die bislang keine geeigneten Haltungsbedingungen in Gefangenschaft herausgefunden wurden, diese doch noch entwickelt und präzisiert werden, wodurch sie einem größeren Kreis von Liebhabern (wieder) zugänglich würden.
Schließlich wurde in Teil 1 näher erläutert, dass die Terraristik auch für Probleme in der heimischen Natur (mit) verantwortlich ist, hier nämlich durch Entweichen oder mutwilliges Freisetzen von Terrarientieren sowie die Belastung der heimischen Lebensräume durch neuartige Krankheitserreger, die über Terrarientiere oder anderweitiges, mit Terrarien verbundenes Material in die natürliche Umgebung gelangten.
Die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen sind auch hier eine wichtige Weichenstellung in Richtung auf die Begrenzung von solchen Risiken, insofern die für alle Tierhalter verpflichtende Sachkunde (Punkt 2), die vor dem Erwerb eines Tieres (Punkt 3) nachgewiesen sein muss, diese Probleme zwar nicht unterbindet, aber zumindest für ein einschlägiges Problembewusstsein sorgt und so das Verständnis für hohe Anforderungen an Ausbruchsicherheit der Terrarien sowie an Hygiene vergrößert.

Natürlich kann man sich bei der Lektüre der von mir vorgeschlagenen Maßnahmen die wichtige Frage stellen, ob diese denn auch verhältnismäßig seien. Dass sie gegenüber den bislang eingesetzten und von anderen vorgeschlagenen Maßnahmen wirksamer sind, wird wohl niemand bezweifeln wollen. Aber die Verhältnismäßigkeit ist gewiss ein entscheidender Punkt, übrigens auch in der Argumentation der Autoren Pasmans und Co. Diese kommen beim Vergleich mit der Situation, wie sie bei konventionellen Haustieren vorliegt, zu dem eindeutigen Schluss, dass größere Eingriffe in die Terraristik sowie in den Handel mit Terrarientieren nicht verhältnismäßig seien.

Dem folge ich hier bewusst nicht. Denn es lohnt sich in meinen Augen, über das Argument der „Verhältnismäßigkeit" einen Moment länger nachzudenken. Angenommen, die Situation bei den konventionellen Haustieren, mit denen man die Terraristik „ins Verhältnis" setzt, sei mit Blick auf den Tierschutz und oder den Naturschutz (Artenschutz entfällt dort als Argument vielfach) vergleichbar unbefriedigend, was in meinen Augen teilweise der Fall ist (wie die Pasmans und Co. übrigens selbst anhand von Beispielen überzeugend belegen). Entbindet das die Terraristik dann davon, für die Risiken und Probleme der Terraristik eine bessere Lösung zu suchen bzw. zu verlangen? Will man sich ernsthaft mit den Versäumnissen und Unanständigkeiten auf eine Stufe stellen, die andernorts gedankenlos begangen werden (z.B. bei Hunden Zuchtformen zu akzeptieren, die zu Lasten der Gesundheit der Tiere gehen)?

Ich meine: Nein!
Als Terrarianer sehe ich mich nicht aufgerufen, die Heerscharen von Hundehaltern und anderen Haustierhaltern eines Besseren zu belehren. Aber vor der eigenen Haustüre kehren, das sollten wir schon. Und wer, wenn nicht wir, sollte sich für eine anspruchsvollere Regelung der häuslichen Haltungspraxis einsetzen, bei der es nicht primär darum geht, einseitig die Interessen der Tierhalter zu verteidigen, sondern eine gute Balance divergierender Anforderungen anzustreben? Wer, wenn nicht wir Terrarianer, die wir eben nicht nur Tiere halten, sondern Kleinbiotope schaffen, in denen die von uns gehaltenen Tiere, eben weil die Behälter ihnen entsprechen, sich auch wohlfühlen und gesund bleiben? Insofern hat das Argument der „Verhältnismäßigkeit" kurze Beine und führt geradewegs in die Mittelmäßigkeit, anstelle sich kontinuierlich um Besseres zu bemühen.
Ich möchte an dieser Stelle und abschließend ausdrücklich auf das in dieser Hinsicht fast hellseherische Vorwort eines der Giganten der Terraristik verweisen, nämlich das von Paul Heinrich Stettler für seine „Terrarienkunde" verfasste Vorwort. In diesem lässt er keinen Zweifel daran, dass, wer Terrarientiere hält, auch eine Leidenschaft für die Natur entwickeln solle, die auch Verpflichtung ist (siehe bei Interesse hierzu auch meinen Beitrag zu P.H. Stettler).
Aber vielleicht sind wir, nachdem aus dem ursprünglich „verschrobenen" Hobby der Terraristik unterdessen eine Mode geworden ist, schon längst in einer Art „Gesellschaft der herpetologischen Hundehalter" angekommen, die sich selbst wichtiger nehmen als die Tiere, für die sie eigentlich eine Verantwortung tragen.