Jenseits von Verboten: (3) Mein Vorschlag zur Neuregelung der Terraristik
Posted on April 12th, 2020
Dieser Text ist Teil einer vierteiligen Serie. Zur Erläuterung siehe hier.
Die nachfolgend vorgestellten Ideen richten sich auf eine Neuregelung der Terraristik, wobei die mit => gekennzeichneten Feststellungen als ergänzende Erläuterung des Genannten gedacht sind. Die Nummerierung der sonstigen Feststellungen dient dazu, auf diese im Beitrag (4) leichter, nämlich gezielt Bezug nehmen zu können.
1. Die Haltung von Terrarientieren wird analog der Haltung von Hunden mit einer Steuer belegt.
=> Die so generierten Einnahmen werden unter anderem für die Finanzierung der nachfolgend beschriebenen Maßnahmen aufgewendet (sowie z.B. für die Unterstützung von Einrichtungen zur Aufnahme von illegal in die Natur freigelassenen Tieren sowie von zwangsweise in Obhut genommenen Tieren).
2. Beginnend mit einem Stichtag, wird der Erwerb der einfachen Sachkunde (siehe unten) zu einer Pflichtvoraussetzung für jeden, der ein Terrarientier im Privathaushalt pflegen will. Bislang gilt dies nur für Personen, die ein für Menschen potentiell gefährliches Tier pflegen wollen.
2.1. Übergangsfristen bzw. Übergangsregelungen wären hier noch zu konkretisieren. So wäre eine ausreichende Sachkunde ohne spezifische Prüfung als vorhanden anzuerkennen, wenn der jeweilige Halter durch Nachzuchten dokumentieren kann, dass er oder sie zu einer erfolgreichen Haltung von Terrarientieren befähigt ist.
2.2. Die „einfache Sachkunde" in der von mir gemeinten Form ist auf die übergreifenden Aspekte der Terrarienkunde zu beschränken, also auf jene Gesichtspunkte, die unabhängig von der Haltung der jeweiligen Tierart von Bedeutung sind, etwa gesetzliche Regelungen und Vorschriften, grundsätzliche Bedeutung von Hygiene, Ernährung, Licht bei Terrarientieren, Gefährdung der umgebenden Natur durch unbedachtes Agieren des privaten Halters, Gründe für die Priorität von Nachzuchten gegenüber Wildtieren, Bedeutung und Zugänglichkeit der heutigen herpetologischen Tiermedizin.
=> Die konkrete Sachkunde des Halters mit Blick auf die von ihm oder ihr gepflegten Tierarten ist auf unterschiedlichen Wegen heutzutage leicht herzustellen und bedarf keiner strukturierten Schulung seitens der DGHT oder anderer Institutionen. Vielmehr ist es die private und im Übrigen aus dem Tierschutzgesetz ohnehin ableitbare Verantwortung des individuellen Halters, sich ausreichende Kompetenz im Umgang mit nicht üblichen Haustieren (selbst) zu verschaffen.
Als Beispiele für heutzutage leicht zugängliche Quellen seien genannt: die sehr differenzierte, praxisorientierte Fachliteratur; Kontaktaufnahme mit einschlägigen Foren, in denen zwar auch viel Unfug verbreitet wird, in denen aber mindestens durch die Moderatoren immer auch ein Korrektiv im Sinne wirklicher Sachkunde vorhanden ist; durch Austausch mit den nicht selten durchaus sachkundigen Händlern oder idealerweise mit den Züchtern.
3. Die Beschaffung eines Tieres, egal ob von einem privaten Züchter, als Übernahme von einer anderen Privatpersonen, als Erwerb in einem Geschäft oder auf einer Tierbörse erfordert eine vorherige Anmeldung in einer (zu schaffenden) zentralen elektronischen Datenbank für in Privathand gehaltene Terrarientiere.
3.1. Die Anmeldung ist ohne den Nachweis der oben beschriebenen (verschlankten) Sachkunde nicht möglich.
3.2. Die Anmeldung führt zu einer Identifizierungsnummer, die sich aus einem dauerhaften Personenmerkmal (Halter) und einem variablen Tierartmerkmal zusammensetzt. Bei einem Besitzerwechsel eines Terrarientieres kommt es verpflichtend zur Dokumentation der Identifikationsnummer.
4. Entgegen den in der Öffentlichkeit überwiegend kritisch gesehenen Tierbörsen werden diese ausdrücklich politisch gestärkt als Möglichkeiten, dass Züchter und potentielle Halter in einen direkten Kontakt treten.
4.1. Der Verkauf von importierten Tieren (Wildfänge ebenso wie Farmzuchten) wird auf Börsen untersagt. Börsen dienen ausschließlich dazu, nicht importierte Nachzuchttiere an Privathalter abzugeben. Der Verkauf anderweitigen Materials (inkl. Futtertiere), das in der Terraristik Verwendung findet, bleibt davon unbenommen.
5. Der Verkauf von importierten Tieren wird mit einem Strafzoll von 50 % des Einkaufspreises belegt.
5.1. Dieser Strafzoll wird auf jedes importierte Tier erhoben und nicht nur auf jedes verkaufte importierte Tier. Dadurch gehen Verluste beim (Zwischen-) Händler zu Lasten der Verkäufer bzw. treiben deren Kalkulation zusätzlich in Richtung eines (noch) höheren Abgabepreises für importierte Tiere.
=> Da echte Wildfänge im Vergleich etwa zu Farmzuchten durch diverse Einflüsse (Stress, Krankheiten/Parasiten, Ernährungsstatus) ein größeres Risiko haben, bis zum Verkauf an den Privathalter zu versterben, würde hier – wirtschaftlich und aus der Perspektive des Händlers betrachtet - nochmals ein Risikoaufschlag im Verkaufspreis gerechtfertigt erscheinen bzw. nahe liegen. In der Summe würde eine vom Effekt her erwünschte, drastische Verteuerung von Wildfängen resultieren.
5.2. Der Strafzoll wird nur einmalig erhoben, nämlich bei dem Händler, der importiert (Zwischenhändler oder Händler, falls letzterer selbst als Importeur auftritt).
5.3. Die so generierten (Zoll-) Einnahmen gehen in die Finanzierung der "Qualitätssicherung Terraristik".
=> Die "Qualitätssicherung Terraristik" betreibt und betreut die Datenbank. Außerdem vermittelt sie auf Anfrage der jeweiligen Behörden für einzelne Tierarten geeignete Gutachter bzw. Experten, die etwa zur Bewertung von Anträgen (siehe unten) hinzugezogen werden. Auch die Stellungnahmen dieser Gutachter werden aus diesem Fond erstattet.
6. Jedes Terrarientier muss behördlich mittels der Identifizierungsnummer (siehe oben) gemeldet werden (Zugang, Abgang), vergleichbar der Vorgehensweise, wie sie für den Handel mit geschützten Tierarten bereits etabliert ist, nur dass die Anmeldung online und in einem zentralen Register erfolgt und nicht schriftlich über die jeweilige Naturschutzbehörde.
6.1. Der Verlust von Terrarientieren durch Tod oder Verschwinden ist ebenso zwingend zu dokumentieren. Versäumnisse können zum Verlust der Haltungszulassung führen.
6.2. Die Anmeldung von Tieren mit erhöhten Haltungsanforderungen (siehe unten) löst einen (standardisierten) Antrag aus, den der jeweilige Halter auszufüllen hat und der durch die Behörde, ggf. unter Beiziehung eines Gutachters, bewilligungspflichtig ist.
7. Die behördliche Registrierung von Terrarientieren erfolgt bundeseinheitlich, führt also am Ende zu einer länderübergreifend auswertbaren Datenbank.
7.1. Die Behörden erarbeiten mit der DGHT und interessierten universitären Abteilungen systematische Datenabfragen bzw. Algorithmen, die es ermöglichen
7.1.1. auffällige Halter zu identifizieren (merkwürdiger "Verbrauch" von Tieren, ungewöhnliche Gesamtzahl angemeldeter Tiere, ungewöhnliche Heterogenität der angemeldeten Tierarten), bei denen dann durch Hausbesuche eine Überprüfung des Tierwohls vorgenommen werden kann.
7.1.2. einzelne Tierarten zu identifizieren, die mangels erfolgreicher Nachzuchten offensichtlich stets nur verbraucht werden. Diese Tierarten wären – je nach den lokalen Beständen in den Herkunftsländern – als Kandidaten für eine Negativliste (auf empirischer Grundlage!) anzusehen.
7.1.3. einzelne Tierarten zu identifizieren, die jeweils nur für eine sehr begrenzte Zeit (< 1 Jahr?) in Gefangenschaft gehalten werden können und bei denen keine Nachzuchten gelingen. Mit diesen wäre dann eine aus der Erfahrung begründete (anstatt willkürlich festgelegte) Negativliste zu beginnen.
=> Die Haltung solcher Tiere wäre dann nur noch bei Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung erlaubt (siehe unten).
8. Die Behörden stellen in Kooperation mit der DGHT eine Liste von Terrarientieren zusammen, deren Haltung durch deren artspezifische Ansprüche nur auf der Grundlage bedeutsamer Vorerfahrung in der Terraristik aussichtsreich ist, keinesfalls als Einstieg und für den Anfänger in Betracht kommen (bedingte Negativliste).
8.1. Für die Haltung dieser Tiere bedarf es seitens des Halters eines standardisierten schriftlichen Antrags, der bei (artspezifischer!) Sachkunde befürwortet wird.
8.2. Für die Bewilligung des Antrags wird seitens der Behörden ein (artspezifisch!) Sachkundiger hinzugezogen (DGHT).
=> Die Konkretisierung eines solchen strukturierten Antrags (und Genehmigungsverfahrens) erfolgt tunlichst unter Hinzuziehung der DGHT und bedarf einer Ausgestaltung dergestalt, dass der Auslegungsspielraum (und damit die Gefahr der Willkür) sowohl seitens der Behörden wie der Gutachter minimiert wird.
9. Tierarten, die aufgrund des sehr schlechten Abschneidens laut den über mehrere Jahre ermittelten Ergebnissen der Haltungsstatistik (bundesweite Datenbank) als "aussichtslose" Kandidaten für die Terraristik erscheinen und die deshalb über kurz oder lang auf eine Negativliste zu setzen sind (siehe 7.1.3), dürfen durch gezielt begründete Anträge von Einzelpersonen oder (vorzugsweise) von Gruppen per Ausnahmegenehmigung weiterhin gehalten werden.
=> Über die begründete Ausnahmegenehmigung vergrößert sich die Chance, dass irgendwann doch einmal eine Etablierung der jeweiligen Tierart im Nachzuchtrepertoire der Terraristik gelingt, ohne dabei einen unnötigen Verbrauch an Tieren zu praktizieren (wie es heute bei unreglementierter Haltung der Fall ist).
9.1. Neu entdeckte, bislang nicht in die Terraristik eingeführte Tierarten erhalten sofort diesen Status, werden also nicht für die (unreglementierte) Haltung in Privathand frei gegeben, sondern erfordern (zunächst) grundsätzlich eine Ausnahmegenehmigung.
=> Über die Beschränkung der Haltung neu entdeckter Tierarten an eine Ausnahmegenehmigung, die nur erteilt wird, wenn durch die Person des Antragstellers (oder die antragstellende Gruppe) eine begründete Aussicht besteht auf höchstmögliche Sorgfalt und Sachverstand bei der Haltung und ggf. Nachzucht solcher Tiere, erhöht sich die Chance, dass für neu entdeckte Arten rascher eine qualifizierte Bestimmung der erforderlichen Haltungs- und Nachzuchtbedingungen gefunden wird. Dies muss im Interesse aller Terrarianer liegen und beherzigt zugleich die Gesichtspunkte Tier- und Artenschutz.
Ich werde im vierten und letzten Teil dieser Serie erläutern, weshalb ich diesen Vorschlag als wirksam und zumutbar (verhältnismäßig) betrachte.