»Nomadische« Amphibienpflege
Posted on August 4th, 2017
Wer Amphibien pflegt, hat zumeist mit einem »Problem« zu tun, das sich bei der Haltung anderer Terrarientiere weniger oder gar nicht stellt: abhängig vom saisonalen Rhythmus, benötigen die Tiere zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedliche Biotope. So braucht es für die Pflege einheimischer Molche in der Regel zwei Terrarientypen: ein Aquaterrarium (mindestens ein Aquarium mit schwimmender Korkinsel als Landimitat) sowie ein »Waldbecken«, also ein Terrarium, wie man es für Salamander braucht. Auch Frösche und Kröten suchen ja nicht selten so unterschiedliche Habitate auf, dass man sie meist nicht in einem Becken imitieren und gestalten kann.
Zwar kann man sich bei der Pflege auf die wenigen Amphibien beschränken, die – zumindest als adulte Tiere – in der Regel mit nur einem Lebensraum auskommen, dem Aquarium. Das macht sicher einen Teil der Attraktivität von Feuerbauchmolchen oder Zwergkrallenfröschen aus. Und es ist das wesentliche Motiv, das hinter der Frage steht, die in einschlägigen Foren regelmäßig wiederkehrt, nämlich welche Molche wohl »aquatil« seien, also dauerhaft im Wasser leben und somit im reinen Aquarium gehalten werden können.
Bei mir hat sich die Amphibienhaltung im Laufe der Jahre in die umgekehrte Richtung entwickelt: ich habe gewissermaßen aus der Not eine Tugend gemacht. Denn ich lasse meine Tiere inzwischen mehrfach im Jahr innerhalb meiner Anlage »umziehen«, je nach deren Ansprüchen. Das erfordert zugegeben Platz, den nicht jede(r) hat. Aber es braucht dazu auch eine entsprechende Idee bzw. die Anregung, es auch einmal anders zu probieren.
Ich habe drei »Schauterrrarien«, die dauerhaft in Betrieb sind. Sie sind unterschiedlich gestaltet und jeweils für sich genommen, also als Biotop und nicht erst durch Tierbesatz, eine Augenweide (siehe auch meinen Beitrag Terrarien und Bestand). Dass sie dauerhaft in Betrieb sind, heißt nicht notwendig, dass sie auch ständig mit Tieren besetzt sind!
Neben diesen Schauterrarien habe ich zahlreiche Aquarien, Aquaterrarien und Terrarien unterschiedlicher Größe und Bauart, auf die ich je nach Bedarf und nur vorübergehend zurückgreife. Ein Teil ist nur in der Winterzeit in Betrieb und kommt im Keller zum Einsatz. Hier halte ich die dauerhaft im Wasser lebenden Molche während ihrer winterlichen Ruhephase. Im Keller sind ebenso jungen Molche (Landgänger) und die Unken, aber jeweils nur relativ kurze Zeit vor und nach ihrem im Kühlschrank verbrachten Winterschlaf.
Manche Becken sind auch ein paar Monate im Jahr in einem vor Sonne und Regen geschützten Bereich im Garten untergebracht, etwa ein großes Aquarium (120 x 40 x 20, LBH) für die erwachsenen grünlichen Wassermolche während ihrer Hauptfortpflanzungszeit.
Zuweilen gibt es auch »Rochaden«, wenn zum Beispiel die überwiegend in einem flachen Aquaterrarium im Wintergarten untergebrachten grünlichen Wassermolche in den Garten und in das besagte Aquarium umziehen. Sie machen damit Platz für die chinesischen Unken, die das Becken im Wintergarten nun für die eigene Fortpflanzungsperiode nutzen, bevor sie danach wieder in ihr »Aufenthaltsbecken« zurückkehren, das in unserem Wohnzimmer steht.
Diese mehrfach im Jahr stattfindenden, gezielten Wechsel sollen in dem Begriff der »nomadischen« Amphibienpflege anklingen. Die Nomaden ziehen ja auch jeweils zum nächsten geeigneten Ort weiter (und dabei in der Regel im Kreise, wie es bei mir mit dem jahreszeitlichen Zyklus letztlich auch der Fall ist).
Dasselbe Prinzip des vorübergehenden Einsatzes von Behältern praktiziere ich aber auch für eine zeitweilige Trennung der Geschlechter. Dies betrifft bei mir die grünlichen Wassermolche (Notophthalmus viridescens) und die chinesischen Rotbauchunken (Bombina orientalis). In beiden Fällen führt die Geschlechtertrennung dazu, dass die Weibchen, die sich ansonsten der fortwährenden »Anmache« durch Männchen erwehren müssen, viel aktiver sind und ich sie in einem »Frauenbehälter« besser zu Gesicht bekommen.
Bei den Molchen kommt noch hinzu, dass deren Eiablage sich über viele Wochen hinzieht und die Weibchen dafür etwas Ruhe »verdient« haben.
Bei den Unken könnte diese etwas eigenwillig anmutende Praxis der Geschlechtertrennung vielleicht sogar den natürlichen Bedingungen nahe kommen! Denn ich fand - als ich noch europäische Gelbbauchunken (Bombina variegata) gehalten und in großer Zahl nachgezogen habe - in einem sehr lesenswerten Tagungsband zur Ökologie und Lebensweise dieser Unken vor einigen Jahren den bemerkenswerten Hinweis, dass Felduntersuchungen im französischen Zentralmassiv bei diesen Unken gezeigt hätten, dass die Männchen und Weibchen in der Natur gar nicht dieselben Plätze besiedeln! Vielmehr hielten sich die Weibchen die meiste Zeit in stark durchkrauteten Pfützen und Kleingewässern auf, wohingegen die Männchen die vegetationsarmen Kleingewässer mit geringer Besiedelung durch andere Lebewesen (und potentiellen Fressfeinden für den Unkennachwuchs) besetzten. Dort, in den sogenannten »Laichgewässern«, warteten die Männchen auf die Weibchen bzw. sie lockten diese mit ihren Rufen gezielt herbei, wobei die Weibchen erst dort hinwandern, wenn sie biologisch soweit sind - und sie kehren nach dem Ablaichen wieder in ihre »Aufenthaltsgewässer« zurück!
Ich habe dieses Prinzip bei mir ein bisschen kopiert und später auch auf die chinesischen Rotbauchunken (Bombina orientalis) übertragen. Diese Unke ist bei mir die meiste Zeit des Jahres in einem Schauterrarium als »Aufenthaltsbecken« (siehe unten) untergebracht, wobei die Männchen das Becken etwas früher verlassen und in das für die Reproduktion attraktivere Becken im Wintergarten umgesetzt werden, also gewissermaßen in das »Laichgewässer«. Dort rufen sie dann, haben damit zeitweilig auch Erfolg (weil ich ein Weibchen zum Klammern hineinsetze), sie müssen nach einer Weile aber wieder alleine vor sich hin rufen, weil dann die Weibchen schon zurück in das »Aufenthaltsbecken« im Wohnzimmer umgezogen sind. Auch die Männchen ziehen spätestens im September in dieses Terrarium um (und machen damit wiederum Platz für die grünlichen Wassermolche, die nämlich Ende September aus dem Garten in das Schaubecken im Wintergarten zurückkehren, bevor sie dann im Dezember nochmals umziehen, nämlich in den Keller, um dort bei noch geringeren Temperaturen und bei kürzerer Tageslänge den imitierten Winter im Wasser zu verleben).
Falls jemand sich für die von mir gemeinte Quelle in dem Tagungsband zu den Gelbbauchunken interessiert: Der Titel des Einzelbeitrags lautet "Erste Ergebnisse einer Studie an der Gelbbauchunke (Bombina variegata) in einem natürlichen Habitat im französischen Zentralmassiv" und wurde verfasst von K. Jahn, H. Knitter und U. Rahmel. Der ganze Tagungsband hat den Titel "Verbreitung, Ökologie und Schutz der Gebbauchunke" und ist als Heft 11 des "Naturschutzreport" erschienen, den die Thüringer Landesanstalt für Umwelt zweimal jährlich herausgibt. Dieses Heft 11 erschien 1996 und der besagte Beitrag ist dort auf den Seiten 32-46 abgedruckt.
Nachfolgend noch ein Blick in mein »Aufenthaltsbecken«, in dem nach der Abgabe zahlreicher adulter Unken seit diesem Jahr nur noch ein Paar »wohnt«. Und während der Wochen, in denen die Unken im Wintergarten ihr »Laichgewässer« bewohnen, ist das Becken im Wohnzimmer dann sogar »leer«, nämlich ohne Tierbesatz – aber dabei weiter ein Hingucker für mich/uns.
Das Becken (120cm x 40cm x 51cm; LBH), in dem ich früher meine Pfeifffrösche untergebracht hatte, ist über die gesamte Länge mit einer relativ flachen, wasserdichten Wanne ausgestattet (120x35x6), in der ein Wasserstand von 3-4cm herrscht. Dieser »Pfützencharakter« ist ausreichend, um die Feuchtigkeitsbedürfnisse der Unken zu bedienen, aber nicht so hoch, dass darin Fortpflanzungsaktivitäten erfolgen bzw. wenn, dann kann sich das Weibchen den Umklammerungen leicht erwehren. (Nach meinem Eindruck finden relevante Fortpflanzungsaktivitäten - jedenfalls bei Bombina orientalis - ab einem Wasserstand von mindestens 5cm statt).
Über etwa die Hälfte der Länge erstreckt sich in diesem Wasserteil eine braune Pflanzschale, in der jene Pflanzen stehen, die sumpfigen Grund nicht gut vertragen. In diesem Fall sind das (von links nach rechts): eine Anthurie, umgeben von einer sich langsam ausbreitenden kleinbättrigen und nahezu ununterbrochen blühenden Begonie (Begonia elaeagnifolia), ein mit seinen zarten Wedeln hoch ausladender Farn (Adiantum), daneben beginnt ein Baumfarn (Scyphularia) sich auszubreiten, dessen Rhizome auch an der Rückwand entlang ranken. Seine Rhizome werden rechts unten von aus dem Wasser wachsendem Wassermoos (Leptodictyum riparium?) überwuchert, was der Farn aber anscheinend noch verträgt. Das Moos hat auch bereits etliche Zentimeter hoch die Rückwand erklommen. In der Kokosnussschale auf der rechten Seite befindet sich eine Bromelie (Catopsis
morreniana) ebenso an der Rückwand knapp unter dem Deckel. Im Vordergrund ganz rechts Ficus repens, auf den man immer gut achtgeben sollte, denn er kann ein Becken komplett überwuchern.
Im Wasser breitet sich ansonsten das erwähnte Wassermoos aus (und wird von mir hin und wieder »abgeerntet«), welches ich für meine Aquaterrarien so sehr schätze (siehe meinen Beitrag zum Wassermoos). Die kleinen Pflänzchen im Wasser vor der Pflanzschale sind (wahrscheinlich) kleinwüchsige Calmus.
Da ich meinen Unkenbestand wie gesagt im letzten Jahr auf nur noch ein Paar reduziert habe, kann man sich leicht vorstellen, dass man eine Weile geduldig zu schauen hat, wenn man sie in einem solchen Behälter ausfindig machen will!
Die Botanik des Behälters, das sei freimütig eingeräumt, entspricht im übrigen durchaus nicht meinem großen Vorbild, dem Schweizer Paul-Heinrich Stettler, in dessen ungemein sachkundigen "Handbuch der Terrarienkunde" (Kosmos Verlag, 1978) die Tiere mit den in den jeweiligen Regionen vorkommenden Pflanzen beschrieben sind. Mit Ausnahme vielleicht der im tropischen und subtropischen Asien vorkommenden Baumfarne werden die in meinem Terrarium eingebrachten Pflanzen wenig mit dem natürlichen Habitat der Unken zu tun haben, weil etwa Anthurien in Südamerika beheimatet sind, die Begonie aus Westafrika kommt usw. Aber wer weiß, vielleicht werde ich im nächsten Jahrzehnt, wenn ich dann immer noch intensiv mit meinem Hobby befasst sein sollte, auch diese Stufe noch erklimmen und mich also mit den botanischen Habitatmerkmalen der Pfleglinge noch genauer befassen?
Momentan erfreue ich mich einfach daran, dass die von mir gestalteten Terrarien (mir) eine Augenweide sind, weshalb ich es gut verschmerzen kann, wenn ich dafür die Tiere nicht permanent zu Gesicht bekomme, wie es in einem konventionellen Tierbehälter der Fall ist.