Die Haltung von Terrarientieren in Privathand ist bekanntlich seit geraumer Zeit in der öffentlichen Kritik. Mit unschöner Regelmäßigkeit werden die immer gleichen Vorwürfe erhoben, an vorderster Stelle, dass die in Terrarien zu haltenden Tiere angesichts ihrer Ansprüche (im Vergleich etwa zu den konventionellen Haustieren) nicht angemessen gehalten werden könnten. Dies scheint ja auch der (deshalb bei diesen Kritikern gern verwendete) Ausdruck "Exoten" ohnehin zu suggerieren. Weitere Vorwürfe lauten, dass von den Tieren eine Gefahr für die Allgemeinheit ausginge (Stichwort: Giftschlangen oder Salmonellen in Reptilien), dass das Hobby die natürlichen Tierbestände gefährden würde und dass unser Hobby wesentlich für die Chytridpandemie verantwortlich sei. Letztere wird voraussichtlich zu einem beispiellosen Niedergang der amphibischen Artenvielfalt führen. Schon jetzt hat sie bereits an die Hundert Amphibienarten ausgelöscht (bei Interesse findet man zu diesem letzten, traurigen Thema Genaueres in dem ausgezeichneten Fachartikel von Scheele, Pasmans und Co-Autoren sowie in einer populären Darstellung in der FAZ bzw. in dem sehr empfehlenswerten Buch von Kolbert).
Neuerdings wurde auch die aktuelle Corona-Pandemie - wen wundert's, möchte man fast sagen - in der Süddeutschen Zeitung für eine weitere Attacke gegen die Terraristik genutzt (Tina Baier in der Ausgabe vom 28./29.3.20 auf S. 33). Dort wurde behauptet, dass in den "Wildtieren" noch "viel Schimmeres" an Krankheitserreger hause. Deshalb sei die Abstandsregel, die die Bevölkerung gerade zur eigenen Sicherheit einübe und praktiziere, auch darauf zu beziehen: der Mensch solle draußen wie drinnen "Abstand" von den wilden Tieren halten und daher müsse erst recht die Haltung von Exoten in Privathand "endlich ein Ende haben".
Dass die DGHT, also die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, gegen diese und andere Polemiken sowie politisch aufgebauschte Scheinprobleme seit Jahren konsequent und mit allem Sachverstand dagegen hält, der in dieser weltweit größten Vereinigung von herpetologisch interessierten Laien und Professionellen vorhanden ist, verdient unseren Dank und unsere Anerkennung. Und jeder Halter von Terrarientieren ist aufgefordert, im eigenen Bekanntenkreis gegen die Verbreitung von vereinfachendem Unsinn und Stimmungsmache gegen unser Hobby versachlichend vorzugehen. Viel mehr noch ist jeder einzelne Halter aufgefordert, durch die Praxis seiner Tierhaltung kein Öl ins Feuer zu gießen. Und da wird es in meinen Augen dann schon schwieriger.
Genau an dem Punkt sehe ich die Vorgehensweise und "Politik" der DGHT, der auch ich angehöre, als schwierig an, wie es im Titel dieses Beitrags ja schon anklingt. Wieso?
Nach meinem Dafürhalten gibt es eine nicht beabsichtigte, aber im Effekt doch unselige Allianz zwischen den Interessen der "Spezialisten" in der DGHT, die dieser Verband sorgsam schützt und in der Öffentlichkeit zu Wort kommen lässt, und auf der anderen Seite den Interessen jener Leute, die sich vielleicht Terrarianer nennen, aber vermutlich erst im Zuge der "Modewelle" zu diesem Hobby gekommen sind, jedenfalls den "exotischen" Charakter ihrer Haustiere noch gar nicht wirklich begriffen haben, jedenfalls nicht angemessen berücksichtigen. Wie diese "Allianz" aussieht? Ganz einfach: indem die DGHT bei der Zurückweisung von Angriffen gegen die Haltung von Exoten in Privathand so tut, als sei der einzelne Terrarianer ein wirklicher Kenner seiner Tiere und als würden dessen Erfahrungen in das allgemeine Wissen um die betreffende Tierart etwas Wesentliches beisteuern. Anschauliches Beispiel: In einem in der elaphe erschienenen Beitrag mit dem Titel "Heimtierhaltung und Verfassungsrecht" (2018) der in Autorenschaft der DGHT veröffentlicht wurde, heißt es etwa auf Seite 8 zu spürbaren gesetzgeberischen Eingriffen in die Freizügigkeit der Haltung von (in diesem Fall gefährlichen) Terrarientieren, dass diese Regelungen "zu kaum zu erfüllenden Anforderungen an die Halter (führen), also ausgerechnet zu Lasten jener sachkundigen Personen, die seit vielen Jahrzehnten entscheidend zum Erkenntnisgewinn über die Biologie vieler Arten beitragen". Wer gefährliche Terrarientiere hält, ist deshalb schon gleich eine sachkundige Person, die entscheidende Erkenntnisgewinne produziert?! Wohl kaum, aber dass es - vorzugsweise in der DGHT - eine ganze Anzahl von sachkundigen Terrarianern gibt, deren Erfahrungen tatsächlich wichtigen Erkenntnissen den Weg bereitet haben, das glaube ich sofort und es ließe sich anhand zahlreicher Beispiele wohl mühelos belegen. Aber im Windschatten dieser (trotzdem) wenigen Personen segeln auch ganze andere Terrarianer mit - und das ist genau die "Masche", die ich sehr problematisch finde.
Anderes Beispiel gefällig? Positivlisten, also eine Festlegung auf Tierarten, die - dann im Unterschied zum gesamten Rest - ohne Weiteres in Privathand zu halten erlaubt wären. Man tut hier seitens der DGHT gern so, als wäre eine solche Beschränkung der Auswahl gleich das Ende einer interessanten Terraristik. So heißt es etwa bei Kwet in einem Beitrag mit dem Titel "Ist die Terraristik noch zu retten?" im Wahljahr 2013 rundheraus: "Positivlisten sind Instrumente, die jedem ambitionierten und ernsthaft an der Vielfalt exotischer Tiere interessierten Halter die Grundlage für eine interessante, dauerhafte Beschäftigung mit seinem Hobby entziehen" (S. 21). Man soll offenbar glauben, bei Einführung von Positivlisten könne der (so politisch drangsalierte) Terrarianer nur noch zwischen einer Handvoll Tierarten wählen! In Australien, das (ebenso wie Brasilien) für seine extrem scharfe (und in wichtigen Punkten auch unvernünftig reglementierende) Heimtierpolitik berüchtigt ist, sind diese Positivlisten jedoch mehrere Din-A-4 Seiten lang! Dass "man", womit hier ausdrücklich der "Durchschnittsterrarianer" gemeint ist, darunter keine Tiere finden können soll, mit denen sich die Leidenschaft am Inszenieren von bewohnten Kleinbiotopen in den eigenen 4 Wänden praktizieren ließe, ist in meinen Augen blanker Unsinn. Schlimmer noch: es ist eben die "Masche", die mir an der DGHT-Politik in dieser ganzen Angelegenheit nicht gefällt, indem man nach außen hin suggeriert, dass die Mehrzahl der herpetologischen Tierhalter in Deutschland auch nur entfernt Ähnlichkeit habe mit den zweifellos vorhandenen Spezialisten im Verein. Indem man die Interessen dieser Spezialisten durch die angesprochene Rhetorik schützt, die verständlicherweise gern auch die ungewöhnlichsten Nischentiere (inklusive der gerade erst entdeckten Arten!) noch gerne im eigenen Terrarium nicht nur pflegen, sondern idealerweise zur Nachzucht bringen wollen, macht man am Ende eine Politik, die überwiegend auf Abwehr aller Einschränkungen fokussiert und als einzige sinnvolle Maßnahme den "Sachkundenachweis" anbietet, den man bei dieser Gelegenheit nebenbei noch sehr gut vermarktet und inszeniert.
Weshalb dieser (notwendigerweise) bloß auf relativ allgemeiner Wissensvermittlung beruhende Sachkundenachweis für sich genommen geeignet sein soll, die vorhandenen Probleme in der modernen Terraristik angemessen zu beheben oder auch nur substantiell in die richtige Richtung zu beeinflussen, ist mir ein Rätsel (und wurde von der DGHT meines Wissens auch nirgends zu belegen versucht, man scheint hier ganz auf die Plausibilität zu vertrauen). Genauer gehe ich auf diese Problematik im Rahmen meines eigenen Vorschlags zur Neuregelung der Terraristik ein. An dieser Stelle sei nur als ein von mir statt dessen favorisierter Hebel bereits vorweggenommen: die Einführung einer generellen Meldepflicht von "Exoten" in Privathand.
Was bei der Argumentationsweise der DGHT in der Auseinandersetzung mit Angriffen gegen unser Hobby leider zu wünschen übrig bleibt, ist eine ausreichend selbstkritische Haltung und Auseinandersetzung. Damit meine ich nicht, dass die den Verein nach außen repräsentierenden Personen sich selbst gegenüber kritischer sein müssten. Sie verdienen unser aller Anerkennung für den sicher mühevollen Einsatz in der Abwehr mancher schwer verdaulichen "Argumente" und Attacken und wenn nicht alles immer gleich gut gelingen mag oder nach außen wirkt, muss ihnen das zugestanden sein. Statt dessen meine ich: "Selbstkritischer" mit Blick auf "uns" Terrarianer! Denn es stimmt ja leider, was in einem von Kwet in demselben Beitrag heftig attackierten "Positionspapier" des Deutschen Tierschutzbundes steht nämlich, dass die Möglichkeiten "der Verbände", hier also der DGHT, einen unangemessenen Umgang mit Exoten in Privathand "flächendeckend zu verhindern", unter anderem deshalb nicht gelingen kann, weil viele Halter von Exoten gar nicht (erst) in der DGHT organisiert sind. (Dass es andererseits gar nicht die Aufgabe der Verbände ist, dies zu verhindern, sondern die Aufgabe der Behörden, die nämlich die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften einschließlich des Tierschutzes sicherzustellen haben, sei am Rande kritisch angemerkt, führt aber hier auf ein anderes Gleis).
Die Einäugigkeit der DGHT, die nämlich auf dem einen Auge nur Tierschützer, "Gutmenschen" und "ideologisch" bornierte Widersacher sieht, und jenseits des (noch nicht von genügend Haltern absolvierten) Sachkundenachweises so tut, als sei die Welt in Ordnung, diese Einäugigkeit mag im politischen Schlagabtausch nahe liegen und passend erscheinen. Der Sache gerecht wird man damit aber nicht! Hierzu brauchte man sich nur durchzulesen, was die in der DGHT organisierten Tierärzte zu sagen haben, die nämlich sehr klar von einer bemerkenswerten Veränderung in der herpetologischen Kundschaft berichten können, bei der unter einem Terrarianer heutzutage gerade nicht mehr wie früher selbstverständlich davon ausgegangen werden könne, dass er oder sie ein kleiner, passionierter "Spezialist" der jeweils gehaltenen Tierart ist. Wörtlich heißt es demgegenüber in dem frei zugänglichen Dokument: "Eine große Anzahl von Terrarientieren wird deshalb heute von Personen gepflegt, die nicht dem Bild des herkömmlichen 'Terrarianers' entsprechen, sie sind weder in Interessengemeinschaften integriert noch wissenschaftlich ambitioniert. Reptilien werden von diesen Haltern als normale Heimtiere betrachtet und alternativ zu Fischen, Vögeln oder Säugern gehalten. Es ist in den letzten Jahren ein deutlicher Trend der starken emotionalen Bindung an die gepflegten Tiere, bis hin zur Vermenschlichung feststellbar" (Quelle leider ohne Jahresangabe und Seitennummerierung).
Man kann wohl kaum annehmen, dass das Tierwohl unter diesen Ausgangsbedingungen auch nur annähernd so gut aufgehoben ist, wie es das nach außen gepflegte Bild der DGHT suggeriert, bei der schnell einmal jedes Mitglied der DGHT (oder gar jeder, der unser Hobby praktiziert) zu einem Kenner aufgebauscht wird und ansonsten lapidar anerkannt wird, dass es - wie eben überall - "schwarze Schafe" trotzdem gebe. Dafür sei die Herde aber eben weiß. Als ein "Reinwaschen" würde ich die Politik der DGHT in diesem Punkt bezeichnen. Die DGHT scheint es - vielleicht gerade wegen der vielen Mitglieder - nicht zu wagen, mit Forderungen auf den Plan zu treten, die vielleicht auch einmal für einen größeren Teil ihrer Mitglieder (und womöglich erst recht für eine Vielzahl der gar nicht organisierten Halter) unangenehm und schmerzlich sein könnten. Fürchtet man massenhafte Austritte einer (heutzutage ohnehin nicht zur Selbstorganisation in Vereinen, sondern zu loseren Netzwerken tendierenden) Anhängerschaft, wodurch dann unweigerlich auch das Gewicht der DGHT insgesamt geschwächt würde?
Warum ist die DGHT nicht Vorreiter für eine optimierte Terraristik? Statt dessen führt sie bloß solche einäugigen Abwehrschlachten, die unter der Überschrift zu stehen scheinen: möglichst keine Eingriffe, alles beibehalten wie bisher. Unter "Vorreiterrolle" verstehe ich - in Anlehnung an den ausgezeichneten Übersichtsartikel von Pasmans und Co-Autoren in Veterinary Records - eine (politische) Gestaltung von Terraristik, die sich proaktiv um eine Harmonisierung divergierender Ansprüche und Interessen bemüht: Tierschutz, Artenschutz und Naturschutz mit dem durch den Handel mit Wildtieren befriedigten Hunger nach Exoten als Haustieren zu versöhnen oder mindestens auszubalancieren. Anstatt hier mutige Schritte zugunsten der Schutzbedürfnisse und zum Nachteil der Partikularinteressen (der Halter wie der Händler) zu unternehmen, flüchtet man sich in defensive Manöver, zu denen übrigens auch der notorische Verweis auf die "Verhältnismäßigkeit" von Maßnahmen gehört, die zur Regulierung der Terraristik vorgebracht werden. Im Verhältnis zu was denn?! Wollen wir uns ernsthaft damit messen, dass der Umgang mit konventionellen Haustieren auch reichlich Stoff für Stirnrunzeln bietet?! Und dass jedes Mehr, das wir (uns) von Terrarianern abverlangen, dann "unverhältnismäßig" wäre? Das einzige wirklich taugliche "Maß", das hier für ein "Verhältnis" angelegt werden sollte, liegt doch wohl innerhalb des von uns verantworteten Bereichs, nicht zwischen den verschiedenen Sorten von Haustieren.*) Nämlich hier mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit von "Kosten" (im konkreten wie übertragenen Sinne ) zu dem Nutzen, der ebenso wie die "Kosten" viele Gesichter haben kann: Tiergesundheit, stabile(re) Tierbestände in den Herkunftsländern, minimierte Verluste von Wildtieren auf dem langen Weg in die Terrarien, stabile(re)s Einkommen von armen Menschen in den Herkunftsländern, wenn diese als Tierfänger an zertifizierten, nachhaltigen Wildtier-Projekten partizipieren (und andere Schlupflöcher für den Handel geschlossen werden), Gewinne der Händler und Zwischenhändler, die naturgemäß nie hoch genug sein können, Bewahrung der einheimischen Natur vor dem Auftreten von invasiven Arten oder Krankheitserregern, und natürlich - als eigentlicher Motor des Ganzen - der Nutzen des Halters in Form seiner Freude an einem exotischen Hobby.
Vielleicht ist das größte Problem an den diversen Lobbygruppen, die der Terraristik eindeutig ablehnend gegenüberstehen, dass ihre Polemiken eine dazu komplementäre Einäugigkeit befördern bzw. unseren Verein daran hindern, selbstkritischer mit der Praxis (Realität) der modernen Terraristik umzugehen. Und "modern" soll hier nicht im positiven Sinne verstanden sein, sondern als Anspielung auf die "Trends", die in dem Papier der Tierärzte in der DGHT unverblümt angesprochen wurden (siehe oben).
Der notorische Hinweis auf den "Sachkundenachweis" der DGHT, mit dem in solchen aufgeregten Debatten gerne gefuchtelt wird, kann dem vielschichtigen Problem nicht wirklich gerecht werden. Die Tiere haltenden Privatpersonen sind kein goldenes Kalb, das man tunlichst unbehelligt lässt - und statt dessen Forderungen nur mit Blick auf den Handel und den Transport formuliert, wie es - leider - in dem zitierten Papier der Tierärzte ebenso wie in dem (trotzdem wertvollen) Übersichtsartikel der internationalen Autorengruppe überwiegend (auch) der Fall ist.
Wer sich für meine eigenen Vorstellungen und Lösungsvorschläge dazu interessiert, findet diese hier und in weiter entwickelter Form hier.
*) Das Argument der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zwischen Exoten und konventionellen Haustieren ist in meinen Augen nur im Hinblick auf zwei Vergleiche zutreffend und überzeugend: Erstens hinsichtlich der Forderung nach einem Totalverbot der Terraristik, auf welcher Grundlage (also mit Bezug auf welches Schadenpotential) diese Forderung auch immer formuliert wird, sowie zweitens mit Blick auf Reglementierungen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher gesundheitlicher Gefährdungen (des Halters oder Dritter) durch die Tiere. (Siehe zu dieser Problematik die ausgezeichnete, oben erwähnte Übersicht in Veterinary Records, den ich auf diesem Blog in den Hauptzügen beschrieben und vorgestellt habe, weil er erstens auf englisch verfasst wurde und zweitens nicht frei zugänglich ist).