Vor- und Nachteile der Zucht von Wachsmotten als Futtertiere für Amphibien
Posted on August 25th, 2017
Für den Halter von Amphibien - auch, wenn man ausschließlich Molche hält - gibt es einige gewichtige Vorteile, die für eine Zucht von Wachsmotten sprechen:
- Sie ist einfach und ergiebig, sei es die Zucht der großen Wachsmotte, wenn man eher kräftige Amphibien pflegt, oder der kleinen Wachsmotte.
- Man hat mit der Verfütterung von Raupen unterschiedlicher Entwicklungsstufen zudem eine sehr große Variation von unterschiedlich großen Bissen für unsere Pfleglinge.
- Die Wachsmottenzucht hat vor allem - etwa gegenüber der Zucht von Fliegen - den Vorteil der Geruchsfreiheit und - etwa gegenüber der Zucht von Heimchen - den Vorteil, dass kein Lärm entsteht und die Wohnung selbst im Schadensfall nicht mit potentiellem Hausungeziefer infiziert wird, das am Ende gar den Kammerjäger auf den Plan ruft.
- Die Raupen sind zudem enorm energiereich. Wenn man sie vor der Verfütterung auch noch mit Korvimin oder anderen Vitamin- und Mineralpulvern bestäubt, was wegen der feinen Härchen auf dem Raupenkörper gut funktioniert, dann hat man für das betreffende Tier eine sehr kräftige und nahrhafte Mahlzeit anzubieten.
- Die Motten wiederum lösen wegen ihres auffälligen Geflatters bei den Jägern große Beutelust aus, hier insbesondere die große Wachsmotte (bei Unken oder Fröschen).
Aber nichts ist ohne eine Kehrseite! Nach meiner Einschätzung sind für die Wachsmottenzucht mindestens vier zu nennen: 1. man muss stets auf die Gefahr des Milbenbefalls achten; 2. die Herausnahme und Verfütterung der Motten gestaltet sich nicht ganz einfach; 3. die Raupen haben einen sehr hohen Fettgehalt, was bei einseitiger Verfütterung zur Verfettung der Tiere führen kann; 4. die Raupen haben sehr scharfe Kauwerkzeuge, mit denen sie auch Schaden anrichten können.
Auf diese vier Punkte und was man jeweils dagegen tun kann, will ich hier nachfolgend eingehen.
Wie man die Kehrseiten in den Griff bekommen oder abmildern kann
Die oben erwähnten vier Nachteile bzw. Kehrseiten der Mottenzucht lassen sich wie folgt abmildern:
- Der Milbenbefall gehört zu den Problemen, die auch ich nur abmildern, aber nicht beseitigen kann. Mindestens einmal pro Jahr tritt auch bei mir ein Milbenbefall auf - trotz der an anderer Stelle beschrieben Vorgehensweise mit regelmäßiger Auffrischung des Nährbodens und Reinigung der Gläser! Bevor ich die Zucht in der dort beschriebenen Weise praktizierte, hatte ich mit Milbenbefall allerdings viel öfter zu tun. Wenn man die Milben sieht, ist es schon zu spät. Dann muss man mit neuen Zuchtgläsern und frischem Nährboden wieder neu beginnen, was ärgerlich ist. (Man sucht in diesem Fall manuell aus dem vermilbten Nährboden möglichst viele gut entwickelte Raupen heraus und setzt nur diese, aber keinen alten Nährboden, in das neu eingerichtete Glas).Abmildern kann man das Problem des Milbenbefalls nach meiner Erfahrung durch drei Maßnahmen: man sollte erstens auf einigermaßen rechtzeitigen Nachschub an frischem Nährboden achten, zweitens sollte man eine rasche und deutliche Abkühlung des Zuchtglases vermeiden (wegen der Wärme im Inneren, kann es dann nämlich leicht zur Bildung von Kondenswasser kommen und die resultierende feuchte Wärme wirkt dann als Initialzündung für eine "Milbenzucht"!), und man sollte drittens mit der Säuberung der Gläser nicht zu lange warten.
- Die Schwierigkeiten der Verfütterung haben damit zu tun, dass die Motten sich ganz anders als Fliegen verhalten. Während die Fliegen stets nach oben bzw. zum Licht streben und deshalb gut zu steuern sind, agieren die Motten beim Öffnen eines Zuchtglases sowie bei plötzlich eintretender Helligkeit ziemlich hektisch und chaotisch. Sie flüchten stets in die nächste dunkle Nische, sei dies im Mottenglas, im Terrarium - oder in der Wohnung. In die Wohnung entwichene Motten kommen erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder hervor, sind aber für das Mobiliar, die Kleidung oder auch für die Vorratskammer ungefährlich.Da sich die Motten immer dann bewegen, wenn es plötzlich hell wird und wenn sie von einer anderen Motte berührt werden, ist die Entnahme leichter, wenn man regelmäßig Motten aus dem Entnahmeglas verfüttert, wenn man sie also gar nicht so zahlreich werden lässt. Da mein Entnahmeglas zudem nicht abgedunkelt steht und nur Zimmertemperatur hat, sind die Motten beim Öffnen dieses Glases viel weniger unruhig, bleiben womöglich sogar unter dem Deckel oder an den Seitenwänden ruhig sitzen. Wenn man so den Deckel vorsichtig öffnet, kann man die darunter sitzenden Motten gut in das Terrarium pusten. Mit etwas Geschick, das man nach und nach erwirbt, gelingt es einem zudem, ruhig sitzende Motten mit der Pinzette zu schnappen. Wenn man diese auf die Wasseroberfläche wirft, bleiben sie mit den Flügeln meist am Wasser kleben und es gelingt ihnen nicht, aufzufliegen und zu entkommen. Statt dessen lockt ihr Gestrampel die im Wasser befindlichen Molche oder Unken an. Sie reagieren gezielte auf solche Bewegungsreize an der Wasseroberfläche.Das Verfüttern von Raupen bereitet für sich genommen keine Schwierigkeiten, sondern nur wieder hinsichtlich des möglichen Entweichens von Motten. Ich praktiziere es daher so, dass ich - je nach Besatz mit Motten im Glas - erst die Motten verfüttere oder, wenn nur wenige drin sind und also keine große Gefahr des Entweichens von Motten besteht, dass ich mit der Pinzette einen Klumpen verwobenen Nährboden vorsichtig aus dem Glas herausrupfe, ohne Motten dabei aufzuscheuchen. Den entnommenen Nährboden suche ich dann wie andernorts beschrieben manuell nach Raupen ab. Anders als die Motten, können entwichene Raupen sehr wohl Schaden anrichten (siehe unten), weshalb es zwingend ist, den Deckel des Entnahmeglases (ebenso wie den des Zuchtglases) mit einem Lüftungsgitter aus Metall zu versehen. Andere Materialien werden zumindest von weit entwickelten Raupen durchgebissen. Das gilt auch für die Terrabox, in der man die Raupen typischerweise erwerben kann. Als dauerhafter Behälter ist diese Box ungeeignet bzw. nicht sicher!
- Der hohe Fettgehalt der Raupen und die Gefahr der Verfettung der Pfleglinge ist das am leichtesten zu lösende Problem. Denn wie oft und wie viel wir verfüttern, das sollten wir leicht im Griff haben! Und wenn man lieber viel füttern will, weil das eben Spaß macht, dann ist es sicher besser, dafür die Motten zu nehmen und nicht die Raupen (oder auf weniger energiereiche Leckerbissen, wie Drosophila, Blattläuse oder Springschwänze auszuweichen).
- Die scharfen Kauwerkzeuge der Raupen sind ein zu beachtendes Problem. Während der Körper der Raupen - anders als etwa der von vielen Käferkarven - ausgesprochen weich und gut verdaulich ist, können sie mit ihren kräftigen Kauwerkzeugen durchaus Schäden anrichten. In dem unbedingt empfehlenswerten Buch von Friederich & Volland zur Futtertierzucht (jedenfalls in meiner Ausgabe aus dem Ulmer Verlag von 1992) wird deshalb als einer der wenigen Nachteile der Wachsmottenzucht (neben der leichten Vermilbung des Nährbodens) auf Schäden in Büchern oder an Kleidung hingewiesen, die große entwichene Raupen beim Versuch der Verpuppung dort anrichten können. Da das Entweichen von Raupen anders als das Entweichen von Motten bei dem von mir beschriebenen Vorgehen kaum vorkommt, sind diese Nachteile in meinen Augen kaum der Rede wert und ich habe solche Schäden bei mir nicht erlebt.In dem Buch wird hingegen nicht erwähnt (und ist unter Terrarianern zugegebenermaßen auch umstritten), dass es einen weiteren Nachteil gibt, nämlich die direkte Gefährdung von Terrarientieren durch unzureichend abgetötete Raupen im Magen des Jägers! Ich habe mangels Obduktion zwar keinen Beweis für diese Gefährdung, habe aber mehrere Terrarientiere mutmaßlich aus diesem Grund verloren, jeweils Froschlurche, noch nie Schwanzlurche.Im einen Fall hatte ich ein Zuchtglas in das Terrarium gestellt, in das am Abend ein großes, kräftiges Weibchen meiner amerikanischen Frühlingspiper (Pseudacris crucifer) gehüpft war. Sie hatte sich dann wohl gütlich an den überall hervorlugenden Maden bedient, vermutlich in einem fort welche herunter geschlungen, dabei dann schneller gefressen als beim Fressen getötet. Jedenfalls lag sie am nächsten Morgen tot in diesem Glas, ohne vorher auch nur irgendein Anzeichen von Krankheit oder Schwäche gezeigt zu haben. Sie hätte auch problemlos aus dem Glas heraushüpfen können, falls sie Probleme gehabt haben sollte, an den mit Gespinsten überzogenen Glaswänden des Zuchtglases empor zu klettern. Meine Vermutung war, dass die Raupen in ihrem Todeskampf gebissen und das Tier dabei ernsthaft innerlich verletzt hatten, dass mein Frühlingspiper also innerlich verblutet war.Im anderen Fall betraf es junge Unken, denen ich so winzige Raupen vorgesetzt hatte, dass ich diese für ungefährlich hielt. Auch hier lagen am nächsten Morgen plötzlich Unken tot im Wasser, die vorher keine Auffälligkeiten gezeigt hatten. Allerdings waren es noch sehr junge Unken gewesen, die gerade erst 1 Woche an Land gegangen waren, wo Verluste durchaus nicht so selten sind.In Amphibienforen wird immer mal wieder auf Todesfälle nach dem Verfüttern von Futtertieren hingewiesen, neben Raupen der Wachsmotte werden typischerweise Pinkymaden genannt. Und man kann sicher sein, dass nur kurze Zeit nach einem solchen Eintrag dann Antworten der Moderatoren kommen, dass das "Ammenmärchen" und unbewiesene Geschichten seien, die mutmaßlich nicht stimmten. Wenn man bedenkt, wie oft mehr oder weniger seltsame Einträge in solchen Foren ansonsten unkommentiert stehen bleiben, sind solche prompten Kommentare schon überraschend. Sollte es damit zu tun haben, dass auf solchen Foren auch Werbung für Futtertiere gemacht wird (die die Betreiber der Foren sicher nicht für lau dort erscheinen lassen)?Wie auch immer, ich bin beim Verfüttern von Raupen der Wachsmotte vorsichtiger geworden. Ich achte darauf, dass keine Möglichkeit entsteht, dass ein Tier sich eine Raupe nach der anderen "reinstopft". Bei der Pinzettenfütterung greife ich die Raupen mit dem Kopf, so dass die Raupen schon beim Verfüttern (und nicht erst nach dem Verschlingen) getötet bzw. mindestens ihre Klauen beschädigt werden. Und ich verfüttere selbst ganz kleine Raupen nicht mehr an sehr kleine Amphibien, sondern lasse die Tiere erst etwas heranreifen, bevor sie solche Bissen vorgesetzt bekommen.Bemerkenswert finde ich schließlich, dass es bei mir jeweils Froschlurche getroffen hat und nie Schwanzlurche. Das ist insofern interessant, als die Schwanzlurche - aufgrund ihres anderen Körperbaus? - die Raupen in der Regel nicht mit einem Mal herunterschlucken, wie es typisch für die Froschlurche ist. Statt dessen "kauen" sie die Maden herunter, sie brauchen also mehrere Kaubewegungen, bis die Raupe im Bauch verschwunden ist. Und dies mag vielleicht schon ausreichen, um sie auf dem Weg ins Innere unschädlich zu machen.Zugegeben: Einen "Beweis" für meine Vermutung, dass meine Tiere durch Verfütterung von Wachsraupen innerlich verblutet sind (und dass diese Futtertiere daher nicht ganz harmlos sind), habe ich nicht. Aber es sind deshalb eben längst keine "Ammenmärchen", sondern Beobachtungen, aus denen jedermann seine eigenen Schlüsse ziehen mag. Und bei mir geht es eher nach dem Prinzip "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste" - und mit meinen Tiere hantiere ich mindestens so vorsichtig wie mit unserem guten Porzellan...
Die Abwägung der Vor- und Nachteile muss natürlich jeder selbst vornehmen. Ich habe Wachsmotten, die als Motten und/oder als Raupen seit Jahren auf dem Speiseplan der von mir gepflegten Terrarientiere stehen, zuletzt vor ca. 15 Jahren eingekauft - und sie seitdem stattdessen ununterbrochen nachgezüchtet...