Dieser Text ist Teil einer vierteiligen Serie. Zur Erläuterung siehe hier.

Die Schwierigkeiten der heutigen Terraristik werden, teils unter sehr expliziter Beschreibung der Vorwürfe, die ihr in der Öffentlichkeit (in den Medien) gemacht werden, sehr gründlich und gut aufgezeigt in einer Stellungnahme der in der DGHT organisierten Tierärzte sowie in einem wichtigen Übersichtsartikel von Pasmans und Co-Autoren. Den nicht frei zugänglichen Übersichtsartikel habe ich in einer Serie kürzlich hier zusammengefasst. Die Stellungnahme der Tierärzte von 2008, die laut einer persönlichen Mitteilung von Frau Macina (AGARK/DGHT) "grundsätzlich auch heute noch in dieser Form vertreten" wird, ist frei im Netz zugänglichen.

Die Kernaussagen dieser beiden Dokumente sind bezogen auf die von Pasmans und Co-Autoren beschriebenen drei Hauptdimensionen des Gefahrenpotentials (einzelnes Tier/Tierschutz; jeweilige Tierart/Artenschutz; jeweiliges Habitat/Ökologie) wie folgt:
1. In der Terraristik sind kritische Diskussionen zum Thema Tierschutz durchaus gerechtfertigt. Trotz der heutzutage viel leichter zugänglichen Ressourcen, etwa Literatur, Regionalgruppen der DGHT, Internetforen usw., in denen Fragen u.a. zu angemessener Ernährung und Haltung der Tiere eine adäquate Antwort finden können, sind vermeidbare Haltungsfehler mit teils irreversiblen Folgeschäden am Tier (vor allem die unzureichende Mineralisierung des Knochengerüsts) in beträchtlicher Zahl beobachtbar.
1. 1. Die Anforderungen an den Halter von Terrarientieren sind größer als bei vielen konventionellen Haustieren, da für die Gewährleistung des Wohlergehens der Gesichtspunkt ‚Biotop‘ (Licht, Klima, Gestaltung und Struktur des Beckens) von zentraler Bedeutung ist, während der für viele andere Haustiere charakteristische Gesichtspunkt ‚Interaktion mit dem Halter‘ von geringer (oder negativer) Bedeutung ist.
1.2. Der große Zulauf, den die Terraristik gerade in den letzten 20 Jahren gefunden hat („Mode"), führte zu einer merklichen Veränderungen im Profil des durchschnittlichen Halters, resultierend in einem potentiell erhöhten Risiko für das Tierwohl. Dies, weil es erstens eine wachsende Zahl von Haltern gibt, die nicht organisatorisch eingebunden sind, wodurch die über die „Vernetzung" vermittelte Qualitätssicherung fehlt oder brüchig wird. Zweitens gibt es eine merklich größere Zahl von Haltern, die Terrarientiere eher als konventionelle Haustiere betrachten und behandeln. Dies führt zu einer unangemessenen und für das Tierwohl nicht förderlichen unmittelbaren Interaktion zwischen dem Halter und dem Tier bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Haltungsansprüche, resultierend in vermehrten, vermeidbaren, haltungsbedingten Gesundheitsschäden.
1.3. Ein besonderes Problem ist der Erwerb der Tiere vor einer ausreichenden Beschäftigung mit ihren Haltungsansprüchen, ihrer mutmaßlichen Endgröße, sowie der Lebensdauer (Gefahr sogenannter „Spontankäufe").
2. Zumindest für einzelne Tierarten ist festzustellen, dass (legale oder illegale) Wildtierentnahmen eine spürbare Beeinträchtigung der natürlichen Populationen in den Herkunftsländern verursachen.
2.1. Es kommt zu vermeidbaren, weil auf mangelnder Berücksichtigung von Hygiene und Tierwohl beruhenden Verlusten im Kontext des Imports von Tieren, hier insbesondere echte Wildtiere betreffend, in abgeschwächter Form aber auch für Farmzuchten geltend.
3. Es geht von der Terraristik ein relevantes Risiko für die natürlichen Lebensräume der Ankunftsländer aus.
3.1. Dieses beruht auf einer absichtlichen oder unabsichtlichen Freilassung der Terrarientiere in die heimische Natur. (Für die daraus potentiell resultierenden Schäden ist es nachrangig, ob dabei ein echtes Wildtier oder eine Nachzucht entwichen ist oder ausgesetzt wurde).
3.2. Selbst dort, wo das in die Natur entlassene Tier nicht unmittelbar selbst zum Problem im natürlichen Lebensraum wird, kann die Freilassung zu einer ernsten Beschädigung führen durch den Eintrag pathogener Krankheitserreger, von denen die Terrarientiere besiedelt sind.
3.3. Desgleichen kann eine Verschmutzung (und Belastung) der einheimischen Lebensräume auch durch anderes, mit Krankheitserregern belastetes Material stattfinden, das aus Terrarien stammt oder mit diesen Kontakt hatte.

Welche Maßnahmen sind angesichts dieses Schadenpotenzials angemessen, mutmaßlich wirksam und verhältnismäßig?
Die Position der DGHT – und zwar erstaunlicherweise einschließlich der in der DGHT zusammengeschlossenen Tierärzte, die auf einen Teil dieser bedenklichen Probleme selbst hingewiesen hatten – ist hier bekanntlich, dass bezogen auf den einzelnen Halter auf freiwilliges Absolvieren der so genannten Sachkunde gesetzt wird bei Tieren, die nicht als (für den Menschen!) potentiell gefährlich anzusehen sind. Bei für Menschen potenziell gefährlichen Terrarientieren lautet die Haltung schon jetzt, dass der Erwerb der spezifischen Gefahrtiersachkunde eine verpflichtende Voraussetzung für den Erwerb solcher Tiere ist. Außerdem sei „das Aussetzen von lästig gewordenen Reptilien und Amphibien strengstens zu ahnden" (Stellungnahme der DGHT Tierärzte).

Positiv- oder Negativlisten, die in anderen Ländern erwogen werden oder schon in Kraft sind, werden sowohl von der DGHT als auch vom Arbeitskreis der Tierärzte in der DGHT und auch im Übersichtsartikel von Pasmans und Co-Autoren als nicht verhältnismäßige Maßnahmen ausdrücklich abqualifiziert. Allerdings wird von den Tierärzten in der DGHT verlangt, dass es nur noch erlaubt werden sollte, „Wildfänge aus nachhaltiger Nutzung" anzubieten und dass der Preis von importierten Tieren deutlich erhöht sowie nur noch für lebend angekommene Tiere bezahlt werden sollte, um Anreize für Nachzuchten sowie für einen sichereren Transport von Tieren zu schaffen.

Ich werde im nächsten Beitrag aufzeigen, weshalb diese Maßnahmen unzureichend sind. Nächster Beitrag hier.