Über die Zucht von (flugunfähigen) Drosophila, hier insbesondere zur Zusammensetzung des Nährbodens, gibt es jede Menge Ratschläge und auch Kapitel in einschlägigen Büchern (hier von meiner Seite sehr zu empfehlen: "Futtertierzucht", von Friederich & Volland, Ulmer Verlag).
Inhaltlich, also was Futtermischung usw. anbetrifft, habe ich deren Beitrag nichts Neues hinzuzufügen, sondern ich möchte hier bloß über ein anderes Prozedere bei der Fliegenzucht berichten, mit der ich inzwischen erkleckliche Erfahrung gesammelt habe, die ich als Tipp für die Praxis gerne weitergeben möchte.
Konkret geht es um die Zucht der großen flugunfähigen Drosophila, bei der die Maden ebenso wie die Fliegen an Molche gut verfüttert werden können. Die Maden werden sowohl von den Larven als auch von den Tieren nach der Metamorphose gefressen, während die Fliegen nur etwas für die Größeren sind. Sie schnappen sich die Fliegen gern von der Wasseroberfläche. Damit tun sie sich anfangs zwar noch sichtlich schwer, sie erlernen es aber rasch. Das Verfüttern der Fliegen ist mit Blick auf das Erbeuten der Futtertiere nicht nur ein Beobachtungsspaß, sondern hat zudem den großen Vorteil, dass man Fliegen sehr gut mit Mineralstoffen und Vitaminen bestäuben kann, womit sie sich also prima als "Transporter" eignen. Besonders wichtig oder sogar unentbehrlich erscheint mir diese Aufwertung des Lebendfutters mit Vitaminen und Mineralstoffen bei der Aufzucht des nordamerikanischen grünen Wassermolchs, Notophthalmus viridescens, der sonst zu Problemen mit der Knochenaushärtung neigt (siehe auch meine Beiträge zum grünlichen Wassermolch allgemein und in einem deutschen Forschungslabor).
In dem eingangs empfohlenen Buch (und vergleichbar in anderen Anleitungen) findet man zum Thema Drosophila-Zucht typischerweise eine Abbildung zu den Zuchtgläsern, die oben mit einem Strumpf abgeschlossen sind, über den die geschlüpften Fliegen dann bequem entnommen werden können, da Drosophila wie alle Fliegen nach oben und zum Licht streben (Foto).


Über die flugunfähigen Drosophila hatte ich auch gelesen, dass sie im Laufe der Generationen wieder in ihre flugfähige Form zurück mutieren würden. Das veranlasste mich dazu, den Zyklus der Generationenfolge zu "strecken", indem ich einen Weg suchte, wie ich die Eiablage und die Aufbewahrung der Fliegen trennen könnte. Dann wäre es möglich, jeweils mit Maden durchsetzten Nährbrei zu entnehmen, ohne dabei die Fliegen zu "verbrauchen", die dann nämlich den nächsten Brei zur Eiablage vorgesetzt bekommen würden, aber nicht, wie es bei der Ein-Glas-Methode der Fall ist, bei nächster Gelegenheit verfüttert würden.
Diese Idee war gewissermaßen der Startpunkt für eine Methode, die ich seitdem praktiziere, und die nun so aussieht, dass ich die für die Zucht vorgesehenen Drosophila in einem kleinen Plastikaquarium halte (Foto), in dem sich ein Gefäß mit Futterbrei befindet, das zur Vermeidung von Austrocknung mit einem nicht dicht schließenden Deckel abgedeckt ist. In dieses Gefäß setzen die Fliegen ihre Eier ab. Alle paar Tage kann ich diesen kleinen Behälter entnehmen und gegen einen frischen auswechseln. Den mit winzigsten Maden befruchteten Nährbrei fülle ich dann in ein gewöhnliches Drosophila-Glas, in dem die Maden sich bis zur Reife entwickeln. Der größte Teil der daraus sich entwickelnden Fliegen wird verfüttert, einige wenige landen dann zur Auffrischung der Zucht im Plastikaquarium. Letzteres sollte man in nicht zu großen machen Abständen (mindestens 14 tägig "nachladen"), weil die kleine Fruchtfliege unter den gut geschützten Bedingungen einer solchen Zucht ungefähr doppelt so lange lebt, wie sie Eier legt! Aus dem Umstand, dass noch kaum tote Fliegen am Boden liegen, ist also keineswegs sicher zu entnehmen, dass noch ausreichend fruchtbare Tiere im Zuchtbehälter sind.


Weshalb ich diese Methode hier vorstelle, sind die Vorteile, die ich erst im Verlauf als solche erkannt habe. Mein ursprüngliches Motiv (Verlangsamung der Mutation bzw. Bewahrung der flugunfähigen Genvariante) ist übrigens dafür völlig irrelevant, denn dieses Problem lässt sich auf viel einfachere Weise lösen.
Die eigentlichen Vorteile meiner Methode sind:
  1. je nach dem wie lange ich mit der Entnahme des kleinen Anzuchttopfes warte, habe ich kleine oder sogar winzige Maden vor mir, die zudem von ihrem Entwicklungsstadium her relativ homogen sind. Das habe ich insofern zu schätzen gelernt, als man auf diese Weise derartig winzige Maden "ernten" kann, dass sie sogar kleinen Molchlarven als Futtter angeboten werden können, wie etwa jenen von Notophthalmus viridescens.
  2. da die Entnahmezuchtgläser jeweils mit Brei gefüllt sind, der Maden etwa gleichen Entwicklungsalters enthält, ist es sehr einfach, sich aus diesen Gläsern mit Maden zu bedienen, jedenfalls solange deren Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass schon die ersten Fliegen geschlüft sind. (Danach lässt man die Entnahme von Maden lieber sein, weil einem dabei sonst die ganzen Fliegen in den Ärmel krabbeln... );
  3. während ich früher regelmäßig Probleme mit "Müffeln" des Nährbodens und gelegentlich sogar mit Milbenbefall hatte, treten diese Schwierigkeiten nun praktisch gar nicht mehr auf! Ich vermute, dass es daran liegt, dass ich den Nährboden mit Maden relativ ähnlicher Entwicklungsstufe besser im Blick habe und dann zumeist zwischendurch noch einmal mit neuem Brei auffrischen kann, wodurch das Ganze besser in der Balance bleibt;
  4. weil gemessen an meinem kleinen Anzuchttöpfchen immer genügend eierliegende Fliegen im Zuchtbehälter sind, kommt es jetzt praktisch nie mehr vor, dass mir ein mit Futterbrei gefülltes Anzuchtglas "umkippt". Das war früher durchaus gelegentlich passiert, weil der Brei schon zu verschimmeln begann, bevor genügend Larven für dessen "Durchpflügung" aus den Eiern geschlüpft waren. Wenn ich heute so ein Töpfchen mit bereits besiedeltem Futterbrei in ein neues Glas mit Nährboden setze, dann haben die im Anzuchtbrei schon befindlichen Maden bislang immer ausgereicht, um den im Glas befindlichen Brei so in Bewegung zu halten, dass nichts verpilzt;
  5. nicht zuletzt "freut" es mich für meine eierlegenden Drosophila, die ein sehr entspanntes, vergleichsweise langes Leben haben. Dazu als kleine Randbemerkung: in dem eingangs erwähnten Buch fand ich außer vielen ganz praktischen Tipps auch den mich nachdenklich stimmenden Hinweis, dass Futtertiere zuerst einmal Tiere sind und nicht einfach nur "Futter"! Sie hätten es daher ebenfalls verdient, angemessen gehalten zu werden. Als ich das las, wurde mir klar, dass ich bislang nur den Aspekt Futter im Blick hatte - und dass das eigentlich nicht meinem Anspruch an Tierhaltung genügt. Aber zugegeben: die zuvor genannten vier Gründen waren für mich die gewichtigeren für die Änderung meiner Praktiken.
Ich möchte jedenfalls die Verfütterung flugunfähiger Drosophila an Molche dringend empfehlen und kann sagen, dass die Fliegenzucht eine bewältigbare Aufgabe ist und viele Vorteile hat. Die Verfütterung von Insekten an im Wasser lebende Molche entspricht nebenbei gesagt einem durchaus natürlichen Vorgang. Zwar werden im Wasser lebende Molche sicher primär Wasserflöhe, Mückenlarven und andere im Wasser lebende Organismen erbeuten. Aber es passiert in der Natur auch immer wieder, dass Insekten (Blattläuse usw.) vom Wind auf das Wasser geweht werden und dann dort (meist von Fischen, aber auch) von Molchen erbeutet werden. Das zu beobachten, macht wirklich Vergnügen. Denn es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie die Tiere die Bewegungen der auf der Wasseroberfläche strampelnden Insekten durch irgendein inneres Organ wahrnehmen und sich relativ zielgerichtet dorthin begeben. Dann stoßen sie senkrecht von unterhalb zu schnappen es sich. Letzteres gelingt nicht auf Anhieb, aber wie erwähnt, die Tiere erlernen es schnell.

Zum Schluss noch zwei Anmerkungen:
  1. die hier vorgetragene Methode habe ich zwar ausschließlich mit der großen Drosohila praktiziert, ist sehe aber keinen Grund, weshalb sie nicht bei der kleinen Form genauso funktionieren sollte;
  2. was den Gesichtspunkt der genetischen Rückverwandlung in die flugfähige Form von Drosophila anbetrifft, der mich ursprünglich über die hier beschriebene Methode nachdenken ließ, gibt es dafür natürlich einen viel einfacheren Weg als den hier beschriebenen: wer sicher gehen will, dass in die Zuchtgläser nur die flugunfähigen Tiere gelangen, der braucht nur das Glas, mit dem er die dafür bestimmten Fliegen aus dem vorhergehenden Zuchtbehälter entnommen hat, für einen kurzen Augenblick auf dem Balkon (jedenfalls im Freien) öffnen, nachdem man es vorher kurz durchgeschüttelt hat. Das Durchschütteln lässt alle Fliegen, die vorher schon an den Wänden des Glases nach oben gestrebt waren, wieder zu Boden stürzen. Das kurzzeitige Öffnen des Glases erlaubt nun den schnellsten Fliegen die "Flucht" ins Freie - und das gelingt naturgemäß denjenigen Drosophila am besten, die sich genetisch bereits zu mehr oder weniger flugfähigen Fliegen rückentwickelt haben! Zurück bleiben dabei diejenigen Fliegen, die relativ sicher für die nächste Generation flugunfähiger Drosophila verwendet werden können.